Autor Thema: Prader v  (Gelesen 18028 mal)

Mai 29, 2016, 10:38:02 Nachmittag
Gelesen 18028 mal

mama

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Hallo, wie ist das bei Prader V.
Müssen wir operieren lassen, damit es nicht zu Komlikationen in der Pupertät kommt, wenn die Menstruation einsetzt? Es gibt ja keine Scheide.


August 11, 2016, 06:28:36 Nachmittag
Antwort #1

mama

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Nun meld ich mich selbst wieder. Anhand der Aufrufe sehe ich, dass meine Frage viele bewegt. Es war spannend für mich nur private Mitteilungen zu erhalten.
Ich habe mich eingehend mit der Frage nach der OP beschäftigt und bin mir nun sicher, dass es der richtige Weg ist,die OP durchführen zu lassen.  Morgen wird es soweit sein. Ich werde demnächst über den Verlauf berichten und bin gern bereit Fragen zu beantworten.

August 12, 2016, 12:32:31 Nachmittag
Antwort #2

Wanjo

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Ich wünsche euch auch alles Gute und drücke die Daumen dass alles ist verläuft!!
Liebe Grüße

November 01, 2016, 09:26:12 Nachmittag
Antwort #3

mama

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Hallo an alle,

erstmal danke allen, die an uns gedacht haben. Eine ganz liebe Person hat mir eine Privatemail geschickt und war leider an diesem Tag nur als Gast eingeloggt, so dass ich nicht direkt antworten konnte.

Wir haben im August unser damals 6 Monate altes Kind in der Uniklini Jena von Frau Prof. Dr. Eckoldt operieren lassen. Sie ist absolute Spezialistin auf diesem Gebiet und operiert AGS Patienten sehr regelmäßig. Wir haben uns sehr gut in Jena aufgehoben gefühlt und ich bin den Ärzten und Schwestern sehr dankbar. Inzwischen ist alles sehr gut verheilt.
Wir haben uns vorab sehr intensiv mit der Thematik befasst und die Frage der OP von allen nur denkbaren Seiten beleuchtet. Ich bin mir jetzt 100% ig sicher, dass die OP für unsere Tochter die richtige Entscheidung war. (Sie kam als "Junge" zur Welt und hätte es sonst sicher schwer gehabt. )
Ich kann nur alle Eltern ermutigen, die OP für ihr Kind so zeitig wie möglich durchzuführen. Wir mussten 14 Tage in der Klinik liegen. Unsere Tochter ist unglaublich geduldig und konnte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht drehen. So haben wir die Zeit mit Fingerspielen irgendwie rum bekommen. Wenn man zu lange wartet, wird es für die Kinder glaub eine Qual.
Eine Bitte noch an alle betroffenen Eltern: Lasst die OP bitte nur von einem ausgewiesenen Spezialisten durchführen. Ich würde auch bis ans andere Ende von Deutschland fahren, um mein Kind von Frau Prof. Dr. Eckoldt operieren zu lassen. Sie kann es wirklich!!! Sie ist auch im Ärztebeirat der AGS Patienteninitiative. Ihr liegen die Menschen mit AGS sehr am Herzen. Es tat gut eine fachlich so kompetente und zugleich warmherzige Frau zu erleben.
Ich wünsche allen Eltern und Kindern, die diese OP vor sich haben, dass es genauso gut verläuft wie bei uns.

mama

November 02, 2016, 07:36:21 Vormittag
Antwort #4

Jenjen84

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Hallo  Mama!

Ich finde es sehr schön, dass du deine Erfarungen hier schilderst, obwohl dein Eingangspost eine Weile her ist.

Ich bin mir sicher, die nächsten Hilfesuchenden, die hier auf deinen Beitrag stoßen, werden von deiner Offenheit und deinem Engagement profitieren!

Danke!
Jenny

November 15, 2016, 12:29:13 Nachmittag
Antwort #5

Mikie

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Hallo mama,

schön das es eurer Kleinen gut geht. Ich wünsche ihr und Euch alles gute für die Zukunft.


Leider bin ich nicht eurer Meinung sowie vieler Eltern deren Töchter operiet wurden.
 
Da ich selber Betroffen bin und mit diesem Thema extrem auf Kriegsfuß stehe.
Leider hat die OP bei mir mehr zerstört als gut gemacht.
 
Ich hoffe ihr behaltet alle Unterlagen für eure Kleine.
Leider habe ich keine Unterlagen über meine durchgeführte OP oder sonstigen Kinderunterlagen über mein AGS.
Wenn ich sie hätte und die Möglichkeit bestände würde ich die Ärzte die mich operiert haben, heute verklagen.

Für mich ist diese OP, eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts sowie eine sexuelle-, und Genitalverstümmelung.
 
Ich sage immer noch es gehört in die Selbstbestimmung eines Menschen ob eine solche OP durchgeführt wird.

Es werden heute OP`s durchgeführt obwohl mir von den Ärzten gesagt wurde, es sei nicht mehr erlaubt?????
Wenn wir Berichte über eine rituelle Beschneidungen bei Mädchen in anderen Ländern sehen, dann sagen wir "Oh Gott, wie können die nur einem Mädchen dies antun."  Machen wir bei der Geschlechtskorrektur etwas anderes?, außer natürlich, Nakose und den hygienischen Bedingungen eines OP-Saals.

Wenn etwas schiefgeht oder auch ?.
Bei mir wurde meine Sexualität zerstört, habe ständig gesundheitliche Probleme, häufige Blasenentzündungen, von den psychosomatischen Problemen ganz zu schweigen.

Ich denke den Ärzten ist nicht bewusst wie sehr sie die Zukunft eines Menschen zerstören können.
Sie sehen die Gegenwart, ein Säugling bekommt nicht so viel mit, hoffen wir, und die nahe Zukunft, Kindergarten, Schule und das Elternhaus, aber wie es einem operierten später mal geht. Wen interessiert dies? Welcher Mediziner hat sich mal mit einem operierten Erwachsenen unterhalten?

Leider, bei mir interessiert dies niemanden. Ich renne nur von einem Arzt zum anderen um meine Probleme in den Griff zu bekommen.


Aber, ich wünsche Euch, das alles Gut gehen und sich alles super entwickelt.

Mikie





Januar 03, 2017, 05:44:14 Vormittag
Antwort #6

mama

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Liebe Mikie,

es ist sehr traurig, dass du so unter den Folgen deiner OP zu leiden hast.

Du hast Recht, es ist ein Eingriff in die Selbstbestimmung. Und diesen Eingriff haben wir bewusst vollzogen. Möglicherweise wird unsere Tochter uns dies irgendwann vorwerfen, dann müssen wir ihr unsere Entscheidung erklären, um Entschuldigung bitten, damit klar kommen. Ja, dass kann passieren.
Dennoch haben wir so entschieden. Nicht blauäugig, nicht ohne Reflektion der Wahrscheinlichkeiten.

90% der AGS Mädchen fühlen sich weiblich. Ja das heißt auch, dass 10 % sich anders fühlen. Ich weiß nicht, wie es unserem Kind gehen wird.
Die OP ist erlaubt, das Ergebnis umfangreicher Befragungen und Analysen, ermöglichte diesen Schritt. Genaueres findet man im Internet und "AGS Ethikrat".
Was war nun für uns als Eltern Ausschlag gebend für unsere Entscheidung?

1. Unser Bauchgefühl.
Ja, dies klingt unreflektiert, aber es ist dennoch sehr wichtig. Als ich 3 Tage nach der Geburt unseren kleinen Sohn zu Hause im Arm hatte und ihm liebevoll in das Gesicht sah, ahnte ich noch nichts von AGS. Noch nie hatte ich etwas von dieser Stoffwechselerkrankung gehört. Und noch nie hatte ich mir ersthaft über das Thema Geschlechterverständnis... Gedanken gemacht. So hatte ich meinen Sohn im Arm. Er hatte einen typisch männlichen Namen hat einen großen Bruder, alles schien gut. Aber ich sah in dieses kleine Gesichtchen und fing an mich zu wundern. In meinem Kopf fing ich an zu sprechen: "Komisch, du siehst aus wie ein Mädchen. Du hast ein Gesicht wie ein Mädchen. Komisch. Mmmm. Weist du L. , wenn du groß bist, mach einfach was du möchtest. Wenn du ein Mädchen im männlichen Körper bist, wer weiß. Du kannst leben wie du willst. Wir haben dich lieb."
Als dann nach einigen Tagen (nach einer schweren SV Krise)  die Endokrinologin uns über die Diagnose aufklärte, war es für mich wie eine Befreiung. Nun war das Geheimnis um mein Kind gelüftet. Mein Kind darf so leben, wie es sich fühlt. Es muss nicht als Mädchen im Jungenkörper groß werden.

Du ahnst nicht, wie viele Jahre wir auf Kinder gewartet haben, da ist es uns wirklich egal, ob wir Jungen oder Mädchen bekommen, unsere Kinder sollen glücklich sein.

2. die medizinischen Optionen
Da die Schamlippen ja zusammengewachsen waren, mussten diese sowieso vor der Menstruation geöffnet werden. Also ganz ohne OP geht es nicht.
Vagina und Harnleiter waren verwachsen, also besteht eine Infektionsgefahr wenn Harn in die Vagina gelangt. Dies zu ändern ist naheliegend.
Die stark vergrößerte Klitoris wird heute so operiert, dass die Nerven erhalten werden, das sexuelle Empfinden also nicht eingeschränkt wird.
Hier haben sich einfach die Operationsverfahren weiter entwickelt. Als du vor 20 oder 30 oder noch mehr Jahren operiert wurdest, fehlte es den Ärzten einfach auch noch an Erfahrung. AGS ist ja erst vor ca. 50 Jahren entdeckt worden.

3. die Wahl der operierenden Ärztin
Frau Prof. Dr. Eckold Wolke aus der Uni-Klinik Jena operiert regelmäßig AGS Mädchen. Verfügt also über die notwendige Erfahrung.
Sie ist Mitglied im Ärztebeirat der AGS Patienten- und Elterninitiative und trifft sich immer mal wieder mit inzwischen großen operierten Mädchen und jungen Frauen. So erfährt sie hautnah, wie es ihren Patienten auch nach vielen Jahren geht und stellt sich deren Fragen und Sorgen.

4. jede Entscheidung ist eine Entscheidung
Hätten wir die OP aus Angst einen Fehler zu machen nicht durchführen lassen, so wäre auch dies eine Entscheidung. Ohne Entscheidung geht es nicht. Wir würden unser Kind bewusst, den Fragen und Hänseleien (das bleibt nie aus im späteren Schulleben) aussetzen. Die sich daraus ergebenden psychologischen Folgen sind genauso unkalkulierbar, wie die einer OP.
Alle Eltern müssen eine Entscheidung für oder gegen die OP treffen. Und alle Eltern haben die Aufgabe, diese Entscheidung dem Kind später so zu erklären, dass es dies nachvollziehen kann. Jeder entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen - und unter diesem Gedanken, sind beide Entscheidungen gleich berechtigt, neben einander stehend, richtig. Wichtig ist es, die Kinder zu lieben und sie zu lehren, sich selbst anzunehmen.

mama